…und Hamburg liegt in Europa

Man darf den Andrew Martin des Jahres 2001 in keinster Weise mit dem gut gepushten Andrew Martin des Jahres 2006 vergleichen. Damals  war Test ein ehemaliger Heavy-Metal-Bodyguard, der durch seinen Körperbau den leichten Sprung ins Wrestling-Business schaffte und dort in einer Stable-Storyline Fuß fasste. Geschichten wurden mit ihm – bis auf das „Techtelmechtel“ mit Stephanie McMahon, was letztlich in der Hochzeit der Million Dollar Princess mit dem King of Kings endete – nicht und Test war nie mehr als ein 08/15-Midcarder mit einem witzigen Namen. Sein Titelgewinn über William Regal war unbegründet und konnte nur ein spontanes Entgegenwirken des Bookingteams gegen den Wertgewinn des Gürtels gewesen sein. Regal hob den Standard durch seine europäische Herkunft, die Würde mit der er den Titel trug und nicht zuletzt seinem schier unerschöpflichen wrestlerischen Geschick wieder in Bereiche, zu denen der Gürtel in den vorhergehenden Monaten nur aufschauen konnte.

Trotz seiner überdurchschnittlichen Irrelevanz war es am Ende Test, der den Gürtel in eine der wohl besten Wrestlingshows der letzten zehn Jahre tragen durfte – WrestleMania X-7. Der „Grandaddy of ’em all“ fand im Jahr 2001 am ersten April statt, was sich auf den ersten Blick wie die perfekten Rahmenbedingungen für ein European Championship Match anhört. Aber nein, man stellte Test nicht nur einen überraschend großartigen Gegner gegenüber – man ließ diesen sogar gewinnen. Eddie Guerrero war sein Name und wer die vorherigen Ausgaben aufmerksam gelesen hat, dem sollte aufgefallen sein, dass es eben diesem Eddie Guerrero ziemlich genau ein Jahr zuvor bereits gelang, in den Genuss zu kommen, sich European Champion nennen zu dürfen. Damals musste er auf den Tag nach WrestleMania warten, dieses Mal durfte er selber bei der großen Show ran – der kometenhafte Aufstieg einer Legende lag bereits in den Kinderschuhen.

Was beim letzten Mal noch über drei Monate währte, fand bei Guerrero’s Regentschaft Nummer 2 ein abrupteres Ende. Damals bedeutete die Niederlage gegen Perry Saturn die Rückgabe des Goldes zur Belanglosigkeit – dieses Mal kam das Ende zwar bereits nach knapp drei Wochen, aber mit Matt Hardy fand man einen Mann, der endlich mal wirklich vom Titelgewinn profitierte – und andersherum. Matt hatte sich bereits im Team mit seinem Bruder Jeff einen großen Namen gemacht und bewegte sich nun erstmals auch auf Singles-Pfaden. Dass beide Brüder das unbedingte Potential dazu besaßen, stellte wohl niemand in Frage – und doch waren sie außerhalb des Ringes nie die großen Showmen, die das Business verlangte. Matt erreichte mit seinem Sieg über Eddie Guerrero am Abend des 25.04.2001 die nächste Stufe in seiner Karriere und bekam durch das Bookingteam eine Hand gereicht. Man bot ihm die Chance zu beweisen, dass er auch alleine Geschichten erzählen und die Fans begeistern kann. Ob das ganze erfolgreich war, lässt sich wohl am besten durch Zahlen belegen. Mit seiner über viermonatigen Regentschaft war Matt Hardy nämlich zum längsten Titelträger seit Triple H im Jahre 1998 geworden und das bedeutete eine Menge. Man hatte Vertrauen in Matt investiert und er rechtfertigte es, indem er den Gürtel über eine so lange Zeit lang hielt und definitiv aufwertete.

Stefan Remmler gehört wohl zu den meistzitierten deutschen Musikern in vermeintlich satirischen Abhandlungen und auch ich möchte mich in die Liste derer einreihen, die einen Absatz mit den Worten „Alles hat ein Ende - nur die Wurst hat zwei“ beginnen. Matt Hardy’s Regentschaft war sicherlich die Kür der Regentschaften, wenn man sich das vergangene Jahr ansah, doch auch diese musste irgendwann ein Ende finden. In Tagen, Monaten und Jahren ausgedrückt lässt sich dieses Ende auf den 27. August 2001 terminieren, als Matt Hardy in einen Hurricane geriet und dabei den Gürtel verlor. Für die, die das flache Wortspiel nicht verstanden haben: Am 27.08.2001 verlor Matt den Gürtel an The Hurricane, den früheren und späteren Gregory Helms. Die Leistungen, zu denen Helms imstande ist und war, stehen hier gar nicht zur Debatte und es lässt sich als einziger Satz dazu sagen, dass der Gürtel bei dieser Monday Night Raw Ausgabe definitiv von einem talentierten Mann zu einem weiteren talentierten Mann wechselte. Trotzdem war er im Jahr 2001 nicht mehr als eine Comicfigur und reihte sich mit seinem Titelgewinn in die illustre Reihe weiterer Comicfiguren wie Crash Holly, Wischmop-Perry, Mideon und Bayern-Al ein. Eine Gruppe von Männern (=Gimmicks), denen durch das bunte Gold Aufmerksamkeit geschenkt wurde, die sie nicht brauchten – geschweige denn verdienten. Ein Superheld war es nun also, der dem Gold zu neuem Ruhm verhelfen sollte. Und wenn man den Worten des nie erreichten Dwayne Johnson Glauben schenken durfte, dann war The Hurricane zumindest mehr Europäer als die meisten seiner Vorgänger – denn The Rock sah in ihm schon immer den „Hamburgerer“.


Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!